Finalement: Es hat sich ausgemalt

Die aus heutiger Sicht letzte Präsentation von Margit Preis kann als Höhepunkt und Abschluss der bildlichen Darstellung des Versteckten Realismus bezeichnet werden. Selten zuvor hat Margit Preis in einer Exposition derart überzeugend ihre Stilvielfalt unter Beweis gestellt. Viele Schaffensstränge kommen hier zu einem Ende. Es gibt nichts mehr zu ergänzen. Es hat sich fertig gemalt.
Das letzte Österreich-Bild trifft mit dem lautmalerischen Titel "schnöke" und der imaginierten Schleimspur des Weichtiers punktgenau die Realverfassung unserer Res publica. Die "Lungenflügel" beenden den Organzyklus, der "Lichtpalast" ist ein Mandala von großer Zartheit, die Naturbilder werden mit "monkey of thoughts" und "viele Gänseblümchen machen eine Wiese" beschlossen. Die Collage "Hoher Markt, 1010 Wien" rundet die politischen Statements ab, "die drei Neffen" und "Nichte & Tante" erweisen wie gewohnt der Familie die Ehre und "zwischenwelten" verschränkt abstrakt den Schatten der Sonne und den Schatten des Mondes.
Drei Bilder im Speziellen zeigen aber, dass uns die Reise mit und von Margit Preis auch weiterhin an unbekannte und unerwartete Gestade führen wird:
1. "Bis hin zur Seele" vereint Bewegung (ein Strudel), Feinheit (Tusche) und Strahlkraft (Kupferpigment) in berührender Schönheit
2. "Wunderliches Bluten aus allen Wunden" könnte auf die Stigmata von Franz von Assisi und Padre Pio referenzieren
3. Der "Meisterbrief" schließlich erzählt eine große Geschichte mit mythischen Schriftzeichen … meditalische Hieroglyphen, zu denen es noch keinen Stein von Rosette gibt.
Als Margit Preis 1998 die traditionelle balinesische Maltechnik in ihr Kunstschaffen integrierte, war das für viele überraschend. Dass Margit Preis 2012 ihre Malerei als vollbracht betrachtet, hat sich hingegen bereits seit circa fünf Jahren angekündigt. Wenn sich fernöstliche Ruhe, Tanz und pädagogisches Wollen in einer Künstlerin vereinen, dann kann die Malerei irgendwann nicht mehr probates Mittel sein.
Margit Preis ist eine große Zuhörerin, nicht zufällig daher auch ein Werk namens "schweigen" in ihrer letzten Präsentation. Es geht ihr schon lange nicht mehr darum, sich selbst ausdrücken zu müssen. Langsam aber beständig ist sie auf dem Weg der Schönheit und des Einklangs unterwegs. Wenn wir zu dieser Grundtendenz noch die Ingredienzien Meditation, Spontanität und Improvisation hinzufügen, dann ergibt sich zwangsläufig das Tätigkeitsfeld einer Meditalin. Am besten lässt sich dieser (der Suchmaschine Google übrigens noch unbekannte Begriff) vielleicht mit Inhalt füllen, wenn wir neben der augenscheinlich darin enthaltenen Meditationstrainerin und der eindeutig femininen Ausprägung dieses Tätigkeitsfelds eine westliche und eine östliche Sehnsucht zusammendenken:
1. Die Beginen-Bewegung (christliche Gemeinschaft weiblicher Laien, deren Spiritualität Meister Eckhart beeinflusste … europäisches Hochmittelalter)
2. Das eineinhalbtausend Jahre alte Shaolin-Mönchstum und dessen Techniken der Bewegungsmeditation (wobei die Meditalin eben nicht der Kampfkunst, sondern der Kunst des Zuhörens verpflichtet ist).
Eine Meditalin hat einen großen Werkzeugkoffer für vielfältige Anliegen, und sie meint es gut mit uns. Wir sind gespannt auf die neuen Stile einer Künstlerin, die auch weiterhin das Konzept des "Versteckten Realismus" mit Leben erfüllen wird.

Christian Kniescheck, 2012
PS: Wer übrigens noch kein Bild von Margit Preis sein eigen nennt, sollte sich beeilen. Denn es ist das Einmaleins des Kunstmarktes, dass die Werke von zeitgenössischen Malern, die nicht mehr produzieren, rar werden und exponentiell an Wert gewinnen.
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